Virtuelle Influencer – bald auch Blogs und Podcasts?

Transkript der Episode 11 von Frag Wolfram, dem Online Business Podcast mit Wolfram Kläger vom 18.04.2023

Rein digitale, virtuelle Influencer:innen wie Lil Miquela feiern enorm Erfolg in Social Media. Was ist mit Blogs und Podcasts?

Episode 11: Virtuelle Influencer:innen – bald auch in Blogs und Podcasts?

Diesmal lerne ich öffentlich dazu, von wegen "Learning in Public".

Und Du bist live dabei (also: so gut wie live 🙂 )

Ich bin nämlich kürzlich schon wieder über einen Podcast gestolpert, den ich sofort abonniert habe, weil er mich in Zukunft noch öfter interessieren dürfte.

Also: schon wieder ein Update für Episode 6 von Frag Wolfram mit meinen Podcast Empfehlungen

Digital Humans and the Story Behind Lil Miquela (a16z)

Heute geht es um den a16z Podcast von Andreessen Horowitz, ein Venture Capital Investor aus dem Silicon Valley, die Episode vom 30. März mit dem Titel, auf Deutsch:

Digitale Menschen und die Geschichte hinter Lil Miquela, der kleinen Michaela

Ich weiss nicht mehr, was mich in diese Episode hineingezogen hat. Ich nehme an, der Begriff Digitale Menschen.

Jedenfalls habe ich diese Episode in einem Rutsch bis zu Ende gehört.

Wenn es um Social Media geht, bin ich nicht wirklich der Spezialist fürs Durchwischen von Instagram, wo ja ein grosser Teil der Influencer:innen zuhause und gross geworden ist.

Dass es dort auch rein digitale Figuren gibt, sagen wir: Avatare, die nicht mal entfernt auf eine reale, leibhaftige Person aus Fleisch und Blut verweisen, das habe ich schon geahnt. Aber welchen Erfolg diese Figuren haben, und das schon seit Jahren, das hat mich komplett erstaunt.

In der besagten Podcast-Episode geht es um eines der ersten Projekte dieser Art.

  • Die Kunstfigur heisst Lil Miquela
  • Ist 19 Jahre alt, und das seit 6 Jahren konstant
  • Sie ist als Halb-Brasilianerin, Halb-Spanierin designt
  • Bezeichnet sich selbst auch schon mal als Roboter

Lil Miquela ist 2016 auf Instagram erschienen, postet seitdem fast jeden Tag neue Fotos und Stories aus ihrem rein digitalen Leben. Aktuell rund 1.300 Posts mit 2,8 Mio. Follower:innen.

Auf YouTube hat Lil Miquela aka Miquela Sousa bis heute 280.000 Abos mit 71 Videos erreicht.

Sie hat in den 6 Jahren unzählige Produkte präsentiert, hauptsächlich im Fashion-Sektor, wird unter anderem von Samsung gesponsort, gibt Interviews, lässt sich zusammen mit anderen Celebrities fotogr … montieren.

Sie wurde von ihren Designer:innen auch als Sängerin aufgestellt, mit einigem Erfolg auf Spotify.

Im a16z Podcast interviewt die Gastgeberin Steph Smith zwei der Macher von Lil Miquela: Trevor McFedries und Isaac Bratzel aus Los Angeles.

Was habe ich gelernt? (meine 6 Key Takeaways)

Die Links zu allen Details findest Du am Ende des Artikels.

  1. Was man unter dem Uncanny Valley versteht. Ganz kurz gesagt: Menschen finden offensichtlich künstlich dargestellte Figuren sympathischer also solche, die sehr menschenähnlich daherkommen. Zum Verwechseln "realistisch" ist erstaunlich schwierig und aufwändig herzustellen. Der Versuch, so halbwegs realistisch, wird schnell als "Fake" erkannt. Und stürzt ins gruselige Tal der Ablehnung. Auf Deutsch wird diese Metapher gern etwas sperrig mit "Akzeptanzlücke" übersetzt. Diese Lücke sehe ich z.B. sofort, wenn ich mit Stable Diffusion oder einem anderen KI-Tool Bilder von Menschen erzeuge. Meine Akzeptanz lässt schlagartig nach, wenn ich z.B. nur 3 Finger oder gleich 6 an einer Hand entdecke 🙂
  2. Dass die aktuelle KI-Debatte, wie künstlich dürfen Figuren im Internet sein, die Fortsetzung von uralten Traditionen ist, z.B. aus dem Puppentheater mit lebensgrossen Puppen in Japan (Bunraku) und Zeichentrickfiguren wie Micky Maus.
  3. Dass es schon 2008 mit Miku Hatsune den ersten voll-synthetischen Pop-Star gab – eine Manga-Figur mit künstlicher Gesangsstimme, unter deren Namen bis 2013 über 100.000 Songs veröffentlicht wurden, und angeblich 170.000 Videos mit ihr auf Youtube existieren.
  4. Dass das Metaverse vielleicht doch irgendwie wahr wird, gerade und erst recht, wenn man die KI-Tools mitdenkt, die zur Zeit für 2D / 3D Grafik, Audio und Video aus dem Boden schiessen. Muss ja nicht alles gleich Mark Zuckerberg gehören …
  5. Dass Avatare wie Lil Miquela skalierbar sind wie jedes andere voll-digitale Produkt und welche Riesenvorteile das mit sich bringt, im Gegensatz zu gewöhnlichen, menschlich "fleischigen" Influencer:innen. Das müsste doch auch Blogger:innen und Podcaster:innen interessieren?! (dazu gleich noch mehr)
  6. Dass die Technologie zwar eine Art Demokratisierung bedeutet, die KI vielleicht sogar extrem, im Sinne von: bald können alle, die wollen, Content Creators sein, Texte schreiben, Bilder machen, Musik, Videos, was immer sie sich vorstellen. Und es wird dann auch viel mehr ziemlich guter Content veröffentlicht. Aber aus dieser ziemlich guten Masse werden wahrscheinlich wieder nur die allerwenigsten herausstechen. Unter einem extrem verschärften Wettbewerb der Super-Intelligenten, Super-Fleissigen und Super-Kreativen. Heisst, es bleibt dabei: die Wenigsten werden die grössten Stücke vom Kuchen abbekommen. Den Rest teilt sich der: Rest.

Mein Fazit: Ich überlege, wie lange es dauert, bis virtuelle Influencer:innen auch Blogs und Podcasts erobern?

Alle, die Blogs bauen oder Podcasts betreiben, wissen es aus Erfahrung:

SEO ist noch lange nicht tot, aber die Google-Suche war schon mal besser.

Das liegt meiner Meinung nach vor allem an der Standardisierung durch SEO, die sich in den letzten 20 Jahren festgesetzt hat.

Gestern habe ich gelesen, Google hat beschlossen, die Suchmaschine wird jetzt komplett neu erfunden.

Find ich gut!

Mindestens das also haben OpenAI und Microsoft schon mal hinbekommen.

Und Google hat erkannt, dass Bard alleine nicht hilft.

Die rote Alarmlampe, die ChatGPT eingeschaltet hat, wird bei Google so schnell nicht wieder ausgehen …

Aber, wie gesagt, im Grunde weiss jeder Google Search User, dass es so wie bisher nicht mehr lange gut gehen kann.

Für immer mehr Suchanfragen wird inzwischen sogar auf Tiktok ausgewichen, besonders von jungen Suchenden.

Während man auf der klassischen Suchergebnisseite mit einem bunten Allerlei aus blauen Links bespielt wird.

Irgendwo wird schon der passende dabei sein …

Beispiel: Google-Suche nach "passwort manager"

Wo uns SEO hingeführt hat, kann ich aktuell mal wieder an meiner Recherche zum Thema "Passwort-Manager" festmachen, für mein Ebook, das Anfang Mai erscheinen wird.

Wenn ich nach dem Keyword "passwort manager" suche, lande ich in den Suchergebnissen ganz oben auf den typischen Affiliate-Landingpages, alle nach dem gleichen Strickmuster, SEO-Standards eben:

  • "Dein bester Passwort-Manager … aller Zeiten"
  • "Die 13 Top Passwort-Manager 2023 …"

Du kennst das.

Die Überschrift muss das Keyword enthalten, mit einer ungeraden Zahl und am besten noch die Jahreszahl, das signalisiert Aktualität. Und dann noch die Marke dazu. Für den "branded trust". Und wie die Standardregeln alle heissen.

Ich habe die 15 best-gerankten Seiten ausgewertet.

Von mehr oder weniger renommierten Seiten wie RTL, ntv, ExpertenTesten, heise, Stiftung Warentest, PC-Magazin, Computerbild, Computerwoche usw.

Diese Bestenlisten sehen aus, wie gewürfelt

Schwer zu glauben, dass sich jemand wirklich Mühe gegeben hat, die besten Produkte von den weniger besten zu unterscheiden.

Zwischengeschaltete Werbung lässt dann schon deutlicher erkennen, was die Bewertung womöglich beeinflusst hat.

Nehmen wir das nur als Beispiel.

Das zeigt, wie weit der Anspruch von Google – wir schaffen die beste User Experience! – wie weit dieser Anspruch inzwischen von der Realität entfernt ist.

Mindestens bei den beliebtesten Themen und für Keywords nahe an der Kaufentscheidung, wie z.B. "bester passwort manager".

Dieses Beispiel zeigt auf der anderen Seite aber auch, wie schlecht oder höchstens Durchschnitt der gebotene Content oft ist.

Es besteht offensichtlich kein grosser Anreiz, wirklich herausragend guten Content auf die Websites zu bringen, für Content Creators und Publishers (inklusive renommierter Verlage und Redaktionen).

Das hat 100 Gründe. Mindestens. Auf die kann ich hier nicht eingehen.

Nur so viel:

Mit der Idee von virtuellen Influencer:innen sollten sich auch Blogger:innen und vielleicht sogar auch Podcaster:innen mal näher auseinandersetzen

Wenn z.B. abtrakte Markennamen alleine keinen Unterschied mehr machen.

Wenn Google zwar immer mehr Wert legt auf EEAT – Experience, Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness – und die meisten Blogger:innen und Redaktionen auch brav mitmachen und z.B. die Namen und die Profilbildchen der Autor:innen angeben.

Nur:

Für mich als User sind alle Vor- und Nachnamen, alle Profilbildchen erst mal gleich. Um Erfahrung, Fachwissen, Reputation und Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren, braucht es doch mehr?!

Wenn schon … denn schon …

Das könnte auch eine Übersetzung von "Gruselgraben", "unheimliches Tal" oder "uncanny valley" sein.

Entweder gar kein Autor:innen Profil dazu, oder ein komplett ausstaffiertes, das mit allen Details und Referenzen überzeugt.

Nur antäuschen gilt jedenfalls nicht.

Wird übersehen oder sogar abgelehnt.

Ich sehe auf immer mehr Websites den Trend, dass Profilbildchen durch Comic-Figuren ersetzt werden. Oder, neuerdings, wilde Fantasie-Kreationen aus den KI-Apps.

Na also.

Wir sind schon auf halbem Weg!

Ich sag Dir: es dauert nicht mehr lange und wir sehen mehr und mehr auch virtuelle Blogger:innen.

Mit skalierbarem EEAT-Faktor und klarer Abgrenzung vom Einheitsbrei der etablierten SEO-Standards.

Das kommt auch allen entgegen, die sich immer noch davor fürchten, ihre reale Identität preiszugeben, im Blog, in Social Media oder auf YouTube.

Da gibt es eine wohl nie nachlassende Riesen-Nachfrage nach anonymen Profilen und gesichtslosen Videos.

Alles ist machbar. Jetzt noch viel leichter.

Man muss deswegen ja nicht gleich die DSGVO, die Impressumspflicht usw. über Bord werfen. Es gibt 100 Möglichkeiten, das unter einen Hut zu bringen.

Nur eben auch wieder:

Entweder richtig echt oder sofort als Kunstfigur erkennbar.

Bloss nicht hängenbleiben, irgendwo dazwischen!

Und künstliche Stimmen nach Wunsch und Voice Design, für Podcasts aller Art?

Bis vor kurzem nur schwer vorstellbar.

Jetzt heisst es:

Mit der richtigen KI kann jeder kann ab sofort sprechen, wie er will.

Beliebig klar und deutlich.

Zart oder rauchig.

Mit automatischer Nachbearbeitung inklusive.

Was Ihr wollt!

Steph Smith, die Hostin der zitierten a16z Podcast-Episode bringt es auf den Punkt. Sie fragt gegen Ende, so ähnlich:

Je mehr virtuelle Figuren online gehen, desto mehr stellt sich die Frage:

Warum sollte ich mich noch selbst veröffentlichen, so, wie ich bin?

  • Wenn ich doch eine viel schönere Version von mir sein kann. Jedenfalls online
  • Wenn ich eine viel schönere Stimme haben kann, überzeugend, verkaufsstark, erotisch – was immer gerade verlangt wird
  • Wenn ich mich genau so darstellen kann, wie ich gesehen und gehört werden, wie ich sein will
  • Namen sind eh Schall und Rauch. Ab jetzt ist auch die körperliche Beschaffenheit, mit der ich geboren wurde, nur noch eine Idee, eine Anregung, ein Vorschlag
  • Und – vielleicht das beste Argument von allen – wenn mich mal jemand kritisiert oder gar abbestellt, kein Follow, kein Abo mehr haben will, dann trifft es ja nicht wirklich mich, sondern nur meinen Avatar – vielleicht sogar nur eine:n meiner vielen Avatar:innen 🙂

Mit diesen so erfreulichen und überaus optimistischen Aussichten:

Ich hoffe, für Dich war auch heute – in dieser Episode – wieder eine Inspiration dabei, von mir oder Lil Miquela.

Bis nächsten Montag!

Falls Dir zwischendurch eine Frage einfällt: auf gar keinen Fall rauszögern!

Sofort eine E-Mail schreiben an

fragwolfram@wolframklaeger.com

Kläger wieder mit AE.

Bis dahin: Alle Grüsse, Dein Wolfram

Und: Peace!