Transkript der Episode 32 von Frag Wolfram, dem Online Business Podcast mit Wolfram Kläger vom 18.09.2023
Gesprochen oder geschrieben: Floskeln und Füllwörter sind wie Lametta. Sie bringen deinen Text zum Glänzen oder ruinieren ihn. Woran erkennst du das?
Ja hallo erst mal ihr Lieben, Ladies and Gents, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herzlich willkommen bei Frag Wolfram!
Lange Rede, kurzer Sinn, ich würde sagen, wir steigen mal gleich ein, ins heutige Thema oder wie der Lateiner sagt: in medias res – sozusagen.
Genau!
Äh … 🙂
Hast du mitgezählt, wie viele Floskeln das waren?
Wie viele Füllwörter?
Und ziemlich abgedroschene Redewendungen?
Was man eben so raushaut. Was uns allen immer wieder herausrutscht. Beim reden oder sogar beim schreiben.
Was denkst du?
Tun wir uns selbst damit einen Gefallen, als Autor:in oder Speaker? Wie kommt das bei den Zuhörern und Leserinnen an?
Das ist das Thema dieser Podcast-Episode.
Inspiriert von einem Interview, das ich kürzlich gehört habe, mit dem Texter und LinkedIn-Promi Michael Otto, im Creatorway Podcast von Victoria Weber. Den Link dazu findest du wie immer in den Shownotes.
Dort ging es unter anderem um Füllwörter.
Warum Floskeln und Füllwörter wichtig sind
Überall sonst lese und höre ich: Floskeln und Füllwörter, die solltest du meiden, wie der Teufel das Weihwasser.
Es gibt sogar Tools wie die WortLiga, das LanguageTool oder Grammarly.
Die spüren alles auf, was sie für überflüssig, schlechten Stil oder geschmacklos halten und machen dir automatisch Vorschläge, mit denen du garantiert nicht anecken kannst.
Irgendwo habe ich sogar den "Profi-Tipp" gelesen, das isses!
Wenn du moderne Texte schreiben willst, sei schnörkellos.
Ich bin komplett anderer Meinung.
Und habe mich gefreut, dass Michael Otto das ähnlich sieht.
Denn, egal ob du schreibst oder sprichst, die Füllwörter sind für mich das Salz in deinem Text. Erst recht, wenn du deinen Text sprichst oder in freier Rede vorträgst.
Dann sind Füllwörter, an den richtigen Stellen, das Gleitmittel.
Füllwörter helfen dir, mit deiner Rede im Fluss zu bleiben. Und sie helfen deinen Zuhörer:innen. So können sie dir reibungslos folgen und hängen dir quasi an den Lippen.
Im Unterschied zu einem Roboter oder einer künstlichen Intelligenz.
Die sind grammatikalisch absolut tadellos. Und anders als wir, würden Roboter auch stets darauf achten, dass nur die pure Information übertragen wird. Jedenfalls so lange die KI keine Ahnung davon hat, wie sie Füllwörter am besten imitiert, von uns Menschen abkupfert.
Floskeln, Phrasen, geflügelte Worte und eigentlich alle geläufigen Redewendungen haben eine ganz ähnliche Funktion wie Füllwörter. Sie sind nur
- länger
- komplizierter
- und vor allem: viel mächtiger!
Darüber will ich mich heute mal auslassen, hier im Podcast.
Wie du mit deinem Text von der Macht der Floskeln profitieren kannst. Oder abstürzt, ins Tal der Langeweile.
Übrigens: die berüchtigten Ähs und Ähms und ähnliche Sozialgeräusche sind für mich kein Füllmaterial.
Auch die kann man rhetorisch geschickt dazwischen fallen lassen. Aber in 99 von 100 Fällen ist es nur eine Angewohnheit, die sich lohnt, dass du sie dir ganz schnell wieder abgewöhnst.
Gezielt Pausen setzen und geräuschlos aushalten, das halte ich für die viel bessere Lösung.
Denn jedes Äh und Ähm irritiert erst mal und signalisiert fast immer
- dass du gerade nicht mehr weisst, wo du bist, wie es weiter geht, im Text
- dass du nervös bist und unsicher, ob du hier alles richtig machst
- dass du dich für das Thema eigentlich gar nicht interessierst
Es gibt zwar Studien, die darauf hindeuten, dass das alles nicht so schlimm ist, Link in den Shownotes. Weil wir so an Ähs und Ähms gewöhnt sind, dass es meistens niemanden wirklich stört.
Mag sein.
Ich finde, dein Publikum erwartet von dir, vollkommen zu Recht, dass du voll konzentriert und engagiert bei der Sache bist.
Zurück zu den Floskeln. Und ihrer langen Geschichte.
Geschichte der Floskeln: alles andere als Füllmaterial
Das Wort "Floskel" stammt aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich Blümchen, Blümlein oder Wortblume, sagt Wikipedia. Von da ist es nicht mehr weit zur blumigen Formulierung und zur Frage, wie sage ich etwas durch die Blume.
Heute verwenden wir das Wort Floskel meistens eher geringschätzig. Es ist im Zweifel negativ konnotiert. Im Sinne von überflüssigem, gedankenlos abgespultem Gerede, Geschwätz, Geplapper, mit dem jemand billig Eindruck schinden will.
Fragt sich, welchen!
Wenn du nach dem Keyword "Floskel" googelst, stösst du schnell auf eine ganze Menge schwarze Listen. Angeblich hilft es, wenn du all diese Redewendungen sorgfältig aus deinen Texten tilgst.
Versuch das mal!
Du stellst schnell fest: da bleibt nicht viel übrig, von deinem Entwurf. Ganz so einfach ist es wohl doch nicht.
Skeptisch machen sollte dich auch die schier endlos lange Liste von Synonymen, die der Floskel so zugeschrieben werden. Ein paar Beispiele:
- Redewendung, Redensart
- Gemeinplatz
- Worthülse
- Plattitüde
Dann müssen wir aber auch Sprichwörter dazuzählen, die ständig zitiert werden. Ob mit korrekter Quellenangabe oder einfach so.
Überhaupt: Zitate!
Was ist mit den "geflügelten Wörtern", all diesen schlauen Sprüchen von berühmten Personen?
Bestimmt 9 von 10 sind von Albert Einstein.
Wer’s glaubt 🙂
Und Digger, ich sag dir, pass auf: Da schwirren übelst viele Modewörter durch die Gegend. Schon krasser Fun, manchmal. Aber geht dir auch voll schnell auf den Puffer!
Hans-Otto Schenk, emeritierter BWL-Professor aus Duisburg nennt das Phänomen Papageien-Deutsch. Er beklagt vor allem den unablässigen, zwanghaften und unbewussten Gebrauch von Floskeln (s. Wikipedia).
Das beschreibt ziemlich gut den Kipp-Punkt.
Drehen wir es doch einfach um:
- vereinzelt
- gezielt und
- ganz bewusst
eingesetzte Floskeln, damit liegst du schon mal nicht ganz falsch.
Geht da noch mehr?
Floskeln im Alltag: Wo sie glänzen
Wie kannst du Floskeln gezielt und ganz bewusst einsetzen, in deinen Reden, deinen Texten? Zu deinem rhetorischen Vorteil. Und zum Erkenntnisgewinn für dein Publikum. Vielleicht sogar: mit Vergnügen!
In der letzten Folge dieses Podcasts hatten wir es von Überraschungen, Spannung und Dynamik beim Texte schreiben. Ich habe das an mehreren Stellen mit Musik verglichen.
Eine Floskel im Text entspricht in der Musik einem Riff.
Ein kurzes Motiv, das die meisten sofort wiedererkennen. Das sie schon unzählige Male gehört haben. Vielleicht in x Variationen.
Die Frage ist:
- Auf was spielst du mit dieser Floskel an?
- Wen zitierst du damit?
- Passt das zu deinem Kontext?
- Welche Assoziationen provoziert die Floskel?
- Baut sie die Spannung auf, die du danach auflöst?
- Oder ist die Floskel die Auflösung und sie fasst zusammen, bündelt, bringt noch einmal auf den Punkt, was du davor gesagt hast?
Und natürlich kannst du dein Publikum auch mal überraschen, mit der passenden Floskel, zwischendurch.
Den grössten Effekt erzielst du dabei
- wenn du die Floskel mit einem Augenzwinkern einspielst
- wenn die Floskel mit Ironie (doppeltem Boden) aufgeladen ist
- wenn sie unterschiedliche Assoziationen auslöst
- bis hin zur "Bombe", die du damit vielleicht zum Platzen bringst
Die ziemlich perfekte Überleitung zum ausdrücklichen Warnhinweis:
Zu Risiken, Gefahren und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Texter oder ihre Ghostwriterin 🙂
7 häufige Fehler und wie du sie vermeidest
Die Kurzfassung: Ein Text ist richtig gut, wenn du alle schlechten, falschen Wörter weglässt.
Also. Das ist doch so eine Plattitüde!
Genau.
Ich versuche es noch mal:
Die sieben häufigsten Fehler im Umgang mit Floskeln, Füllwörtern und sonstigen Redewendungen sind:
- Floskeln und Füllwörter sind nicht an sich gut oder schlecht. Du musst gar nichts, du darfst alle verwenden. So lange du sie nicht gedankenlos in deinen Text streust oder in deine Rede stempelst. Nur damit der Text länger wird, dein Vortrag länger dauert oder hoffentlich mit einer Bedeutung schwanger wird. Von der du aber selbst, beim Schreiben oder Reden noch keine Ahnung hast, was genau da mitschwingen soll, beim Publikum. Das musst du dir unbedingt vorher überlegen. Oder die Floskel weglassen.
- Im technisch / wissenschaftlichen Kontext, vor allem auch bei Texten, die sich an das medizinisch oder juristisch bewanderte Publikum wenden, rate ich persönlich zur Zurückhaltung mit Floskeln und Füllwörtern. Auch wenn das in diesen Kreisen vielleicht eher unüblich ist. Ich finde, gerade hier zahlt es sich aus, wenn du möglichst schnörkellos zum Punkt kommst. Nicht umsonst ist es ausgerechnet ein BWL-Professor, der sich über Papageien beschwert hat und dem dafür ein Wikipedia-Backlink verliehen wurde.
- Wenn wir beim Thema Nachplappern und Nachahmen sind: Im Zweifel: weglassen! Als witzig gemeinte Parodie sowieso nur, wenn du sie auch überzeugend rüberbringst. Oder dich damit selbst auf den Arm nimmst.
- Schreib wie du sprichst. Nicht umgekehrt. Historisch bedingt, lernen wir, dass es einen Riesenunterschied macht, ob du dich in Schriftform äusserst oder mündlich. Bis dein Text in durchgeschliffenen Worten da steht. Leichtgängig, anschaulich, dynamisch, spannend – das bleibt dann oft auf der Strecke. Im Marketing wissen es alle besser, schon lange: Kommunikation klappt am besten, wenn man sein Publikum so anspricht, wie es spricht. Und nicht, wie es irgendwann mal schreiben gelernt hat.
- Alles was schon für dich platt, banal, trivial klingt: warum soll das dein Publikum anders sehen? Was du streichen, weglassen, kürzen, löschen kannst, ohne dass dein Text an Substanz verliert: Just do it! Ja, ich weiss, schon wieder so eine Floskel. Aber ich fand sie so gut, an der Stelle 🙂
- Ähnlich rate ich zur Vorsicht und grössten Sorgfalt beim Einflechten von ehrfurcht-gebietenden Zitaten und glitzernd intelligenten Sprüchen von prominenten Autoren, Philosophen und anderen Celebrities. Wenn das Zitat genau passt und du es auch präzise belegen kannst, macht das durchaus Eindruck. Andernfalls läufst du schnell Gefahr, dass dich deine Audience als Langweiler oder Blender abstempelt.
- Der heisseste Ritt auf der Rasierklinge, genau, zwei Floskeln, huckepack, die heikelsten Floskeln sind für mich alle, die mit Ironie aufgeladen sind. Der Volksmund glaubt, mit Ironie sei genau das Gegenteil gemeint, von dem, was gesagt wird. Das ist oft falsch oder wenigstens nicht ganz richtig und kann nach hinten losgehen. Nämlich, wenn du beim Schreiben oder Sprechen nicht alle Deutungen auf dem Schirm hast, die deine Floskel gerade provoziert. In allen ironischen Wendungen. Und wenn du diese dann in Folge nur zum Teil wieder einfangen kannst.
Bonus-Tipp: Die folgenden Lückenfüller und Flickwörter, die kannst du alle einfach streichen. Ersatzlos. Und völlig gedankenlos. Die sind genau so viel wert wie ein simples Äh oder Ähm.
Meine Top 10 sind:
- Sozusagen
- Quasi
- Gewissermassen
- Im Prinzip
- Grundsätzlich
- Genau genommen
- So oder so
- Wie auch immer
- Ich würde mal sagen
- Hastenichgesehen
Also ich würde mal sagen: es würde mich nicht wundern, wenn ich in meinen eigenen Texten schon x Treffer hätte. Allein mit diesen Top 10!
Tipps und Tricks: Floskeln und Füllwörter gekonnt einsetzen
Eine ganze Menge Tipps und Tricks zum Umgang mit Floskeln und Füllwörtern haben wir schon angesprochen.
Mein bester Tipp, der kam vielleicht noch nicht so richtig durch:
Betrachte Floskeln und Füllwörter vor allem als Stilmittel.
Wie andere rhetorischen Mittel auch, die du so im Werkzeugkoffer hast, wie z.B. Metaphern.
Ich greife z.B. häufiger auch mal zu Tautologien.
Das ist die vornehme Bezeichnung für Wiederholungen. Das funktioniert ungefähr so: Man haut auf denselben Nagel mehrfach drauf, in der Hoffnung, dass man ihn einmal richtig trifft, mitten auf den Kopf.
Ups, das war jetzt sogar eine Metapher, gepaart mit einer Tautologie!
Aber keine Sorge, alle anderen bekannten rhetorischen Mittel lasse ich hier weg. Die Namen kann ich mir eh nicht merken. Die stehen alle bei Wikipedia, sauber aufgelistet und erklärt.
Ein guter Stil beim Schreiben oder Sprechen zeichnet sich jedenfalls nicht dadurch aus, dass du alle diese Tipps & Tricks kennst und das auch in jedem Text, jedem Gespräch oder Vortrag unter Beweis stellst.
Viel wichtiger ist es, dass du dich mit der Zeit traust, einen eigenen Stil zu entwickeln, deinen Stil findest. Zu dem du 100 % stehst. Der für dich steht. Und der dich wiedererkennen lässt.
Die Betonung liegt dabei auf: mit der Zeit.
Ausser, du bist ein Naturtalent oder Genie.
Alle anderen wie ich z.B., wir müssen schreiben, schreiben, schreiben und reden, reden, reden, bis wir irgendwann merken, das geht in die Richtung.
Kommen wir doch jetzt endlich mal zum:
Fazit für heute: leider geil!
Sorry. Mir ist schon wieder keine bessere Floskel eingefallen. Auch noch ein Zitat! Bezieht sich auf das gleichnamige Stück von Deichkind. Auch schon in die Jahre gekommen. Hat sich bei mir vom Start weg als Evergreen eingebrannt.
Die Botschaft ist doppelt gewendet und gilt analog für alles, was wir in dieser Episode besprochen haben.
Mit jeder Floskel und jedem Füllwort gehst du ein Risiko ein.
Clever eingesetzt, können sie dich beflügeln und kompakt verpackt transportieren, wofür du sonst eine halbe Stunde oder x Seiten verbraten müsstest. Floskeln und Füllwörter können auch genau die Überraschung, Spannung und Dynamik erzeugen, die dein Text braucht, um sensationell anzukommen.
Es kann aber genauso gut nach hinten losgehen.
Du wirst nicht verstanden oder ganz anders, als geplant. Der Gag zündet nicht. Und die Assoziationen, die du auslöst, schiessen wild ins Kraut.
Solltest du deshalb lieber alles bleiben lassen, unversucht, auf Nummer Sicher gehen und lieber alle Benimm-, Anstands- und Erfolgsregeln strikt befolgen?
Tja. Deine Entscheidung. Meine auch 🙂
Bis nächsten Montag
Freut mich sehr, dass du diese Folge bis zum Ende gehört hast.
Jetzt fehlt nur noch, dass du mir eine E-Mail schreibst, was dir besonders gefallen hat, was du davon mitnimmst und was du dir vielleicht wünschst, für eine der nächsten Episoden.
Diese E-Mail-Adresse ist jedenfalls keine leere Floskel.
Deine Nachricht landet direkt bei mir.
Du könntest das jetzt gleich mal ausprobieren:
fragwolfram@wolframklaeger.com
Ansonsten sag ich schon mal tschüss, bis nächsten Montag!
Alle Grüsse, Ciao Ciao, Dein Wolfram und: Peace!